16. August 2016

Hans-Theo Baumann (1924–2016)

Autor*in:

Petra Hölscher

4

min

Lesezeit

Hans-Theo Baumann, 2014.
Foto: L. Baumann
Ein Vertreter des deutschen Nachkriegsdesigns

Hans-Theo Baumann ist tot – einer der maßgeblichen Begründer des deutschen Nachkriegsdesigns verstarb einundneunzigjährig am Samstag, den 6. August 2016.
Der gebürtige Schweizer (1924 geboren in Basel), wie sein Vater ausgebildeter Glasmaler, überzeugte nach dem Krieg mit einer schlichten, hölzernen, in Berrnau / Schwarzwald gedrechselten Deckeldose den jungen Philipp Rosenthal von seinem Entwurfstalent.

Es entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit mit der Porzellanfabrik Rosenthal in Selb. Viele seiner Entwürfe fanden ihre Umsetzung in jener Firma, die heute wie keine andere für sich in Anspruch nehmen kann, für den Aufbruch zu demokratischen Lebensformen im Nachkriegsdeutschland zu stehen. Baumann gehörte zu den „sieben jungen Rebellen mit den roten Krawatten“, die unter dem Schutzmantel Mia Seeghers, der Grande Dame des Design Centrums Stuttgart, aufbegehrten gegen die Granden der deutschen Vorkriegsentwerfer. Mit Dittert, Kupetz, Raacke, Schütze, Slany, Votteler und dem älteren Bauhäusler Herbert Hirche prägte und definierte Hans-Theo Baumann den Begriff des Deutschen Industriedesigners. 1959 folgte unter seiner Präsidentschaft die Gründung des VDID, des bis heute tätigen Verbandes der Deutschen Industriedesigner.
Baumanns reiches Portfolio umfasst Entwürfe für über 50 Firmen im In- und Ausland und stellt ein wahres Who-is-Who der Nachkriegsfirmen – und damit der Designgeschichte dar. Er arbeitete in Porzellan, Glas und Keramik, in Metall, Textil und Kunststoff, im Leuchten- und Möbelbereich und in der Grafik. Nur wenige Dinge des Alltags fanden nicht das Interesse des begeisterten Porschefahrers. Seine bei dem Flachglashersteller Lamberts in Waldsassen entstandenen Glasgefäße (1952) meisterten spielerisch den Spagat zwischen Kunst und Funktion, sein Entwurf eines Plexiglasschalenstuhls für die Vitra (1952/53) gilt noch heute als einer der ersten in Deutschland, seine Bordgeschirre für die Lufthansa (1963/64, 1971, 1986/87) schufen Maßstäbe im Bereich des Systemgeschirrs, seine Glasfenster für die Matthäuskirche in Pforzheim (1953) des Architekten Egon Eiermann lieferten die Grundlage für die Glasfenster seiner Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin, und der eigene, in Frankreich ausgebaute Wein schuf die Grundlage für manch einen Designdiskurs. Und selbstverständlich war das Etikett der Flasche ein echter Baumann. Früh waren seine Arbeiten auf Ausstellungen vertreten wie 1954 und 1957 auf der Triennale in Mailand und erhielten hohe Auszeichnungen – u.a. 1958 auf der Brüsseler Weltausstellung zwei Goldmedaillen. Das Interesse des Auslands an diesem vielseitig begabten jungen deutschen Designer blieb dementsprechend nicht aus. 1970 baute er den Lehrstuhl für Keramik am National Institute of Design in Ahmedabad/Indien auf, 1981 nahm er die Einladung in die Porzellanmanufaktur Fukagawa in Arita/Japan wahr, in jene Manufaktur, die für das Porzellan des Kaiserhauses verantwortlich zeichnete. Das alles schloss die Auseinandersetzung mit der Kunst nicht aus – ganz im Gegenteil, sie gehörte zu seinem gelebten Selbstverständnis als Mensch, Designer und Künstler. Aus diesem erwuchs – fast möchte man sagen natürlich – auch die Gründung des Kunstvereins an seinem Wohnort im badischen Schopfheim. 2004 fand eine Sammlung seiner Objekte als Donation von Hans-Theo Baumann und seiner Familie den Weg in Die Neue Sammlung. In der 2011 in München gezeigten Ausstellung „Gralglas. 1930 – 1981. Ein Beispiel des Deutschen Designs“ setzten Zeugnisse seiner Arbeit – Entwürfe, Werkzeichnungen und Prototypen – wichtige Akzente. 2014 der ausführliche Blick der Neuen Sammlung auf sein keramisches Schaffen in der Ausstellung „Hans-Theo Baumann. Von der Serie zum Unikat“ im Internationalen Keramikmuseum in Weiden. Es ist erst vier Wochen her, dass Hans-Theo Baumann mit Hilfe seiner Familie die Übernahme seines Archivs an Die Neue Sammlung vorbereitete.

Wir alle werden ihn vermissen, diesen ganz Großen des deutschen Nachkriegsdesigns, der mit seinen Entwürfen und seinen Ideen mit dazu beitrug, das deutsche Design zu demokratischen Aussagen zu führen und international wieder bemerkbar zu machen. Unnachahmlich dabei sein spitzbübischer Charme, seine wachen Analysen gepaart mit jenem Quentchen alemannischer Sturheit und einem schelmischen Augenzwinkern, dass das Unmögliche bis zum Schluss für ihn immer denkbar blieb.

Ein Bordgeschirr der Lufthansa aus weißem Porzellan. Die Teller haben einen blauen Rand.
Blick in die Ausstellung, Hans-Theo Baumann. Von der Serie zum Unikat, 2014.
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)
Ein sechsteiliges, weißes Teeservice aus Keramik.
Blick in die Ausstellung, Hans-Theo Baumann. Von der Serie zum Unikat, 2014.
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)

Ausstellung

Hans-Theo Baumann. Von der Serie zum Unikat

Seine Arbeiten haben Geschichte geschrieben. Als „Urgestein des deutschen Design“ wurde er einmal charakterisiert und zählt zu den Protagonist*innen, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Wesen des „Made in Germany“ und der „Guten Form“ geprägt haben.

Ein Bordgeschirr der Lufthansa aus weißem Porzellan. Die Teller haben einen blauen Rand.
Blick in die Ausstellung, Hans-Theo Baumann. Von der Serie zum Unikat, 2014.
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)